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Übersicht über die bauhistorischen

 

Übersicht über die bauhistorischen Untersuchungen an der Burg Grafenstein

Jan Matoušek

 

            Falls wir von den ersten naiv romantisierenden und folkloristischen Vorstellungen der Grafensteiner Baugeschichte absehen, die im 19. Jahrhundert z. B. von F. A. Heber präsentiert wurden, dann stammt die erste Darstellung der baulichen Entwicklung der Burg Grafenstein von August Sedláček, welcher allerdings auch die früheren, wenn gleich nicht richtigen Theorien des Konservators Brausewetter aus dem Jahr 1887 berücksichtigte, von denen er sich noch nicht erfolgreich abgrenzen konnte. Wie es damals üblich war, beschränkte sich Sedláček in seiner Darstellung von 1895 auf die Beschreibung des bestehenden Zustandes. Er erfasste neben der politischen Geschichte auch den letzten Brand der Burg von 1843, wobei er gegen Brausewetters Meinung polemisierte, dass die Burg als Komplex nach dem Brand um ein Geschoss niedriger wiederaufgebaut wurde. Dennoch nahm Sedláček die in seiner Zeit schon Jahre alte Tatsache auf, dass das Dach auf dem Burgturm nach dem Brand in neogotischen Formen errichtet wurde. Sedláček brachte in seinem Werk nicht nur einen einfachen Grundriss ohne Kennzeichnung von Bauphasen und ohne innere Aufteilung der Räumlichkeiten, sondern auch eine Reihe von Ansichten architektonisch interessanter Ecken und vor allem von architektonischen Details, wie z. B. den Grabstein mit dem Wappen der Familie von Dohna oder einen Blick in die Burgkapelle. Sedláček präsentierte zudem eine ältere Abbildung der Burg und zwar eine kleine Kreidelithographie aus den Jahren 1843–1863. Autor aller Illustrationen war Sedláčeks langjähriger Mitarbeiter Karl Liebscher. Sedláček erwähnte allerdings im Fall von Grafenstein das Alter einzelner Teile des Burg- und Schloss-Komplexes noch weniger, als in seinen übrigen Werken üblich ist. Er überrascht aber mit der richtigen Datierung einiger Segmente und ganzer Flügel. Als ältesten Teil bezeichnete Sedláček natürlich die Kernburg um den heutigen oberen Burghof.

            Sedláček widmete einen Teil seiner Aufmerksamkeit zudem den Gebäuden der „Unteren Burg“: „Ein Spaziergang um die Burg herum ist sehr interessant. Auf der Südseite sehen wir zwei Basteien, welche einmal zu Schutzmauern gehörten. Im 16. Jahrhundert wurde dazu ein Gebäude angebaut, welches als Neuhaus im niederen Schloss bezeichnet wurde. In der nordwestlichen Ecke des Schlosses steht ein viereckiger Bau in der Form einer Bastei; aus einem alten Bild geht hervor, dass es ein Turm war, dessen Oberteil beim letzten Brand zerstört wurde. Auf der Nordseite ragt ein viereckiger Turm aus der Maier, in welchem mehrere Zimmer mit Fenstern sind, die unten alt und oben neu aus Ziegeln bestehen. Um das Schloss herum befindet sich ein in Gärten umgestalteter Zwinger. Früher war dieser von Mauern abgeschlossen, welche auf Befehl des Kaisers Leopold abgerissen wurden, damit sie nicht dem Feind dienen.“

            Sedláček erbrachte mit seiner unverwechselbaren Erzählart die erste richtige Beschreibung der Burg mit einem Umriss ihrer baulichen Entwicklung. 

Nach August Sedláček beschrieb der deutschsprachige Kunsthistoriker und Regionalforscher Karl Kühn die Burg Grafenstein im Rahmen seiner bedeutenden kunsthistorischen Bewertung. Aus unserer Sicht können wir das Fehlen einer bauhistorischen Bewertung des Objektes als einen großen Mangel des Werkes bezeichnen, die Menge der gesammelten Angaben in einer lexikalisch geschriebenen Kunstdenkmälertopografie ist jedoch höchst ehrenwert. Im seinem Werk bearbeitete er von Grafenstein nicht nur das gesamte Areal in Form einer Kurzbeschreibung, jeden Flügel, jedes isolierten Bauwerk (insbesondere im Areal der Unteren Burg bzw. in der Vorburg), die meisten Zimmer, sondern er publizierte auch den ersten Grundriss der Burg mit der Zimmereinteilung in allen Stockwerken. Der größte Teil von Kühns Beschreibung ist der Barbarakapelle gewidmet, er ließ aber auch darüber hinaus kein grundlegendes architektonisches Detail mit richtiger oder vertrauenswürdiger Datierung aus.

            Durch die Nachkriegsentwicklung und Errichtung des geschlossenen Militärgeländes gelang eine weitere systematische Untersuchung der Baugeschichte erst Dobroslava Menclová im Jahr 1970. Sie erhielt dafür nicht einen so großen Spielraum, wie sie ihn bräuchte, nichts desto Trotz brachte sie den Wissenstand auf bedeutende Weise voran.

Dobroslava Menclová ordnete die erste Bauphase aus dem 13. Jahrhundert den Burgen des Bergfriedstyps zu und bemühte sich um die Klärung des Alters einzelner Keller unterhalb des ehemaligen Burgkernes, auch wenn sie selbst angab, dass sie wegen fehlender Beleuchtung und Unordnung in den Kellern die Angaben nicht garantieren könne. Als die ältesten Keller bezeichnete sie natürlich diejenigen, welche direkt unter dem Palas stehen, während sie die Keller am unteren Burghof vorsichtig als jünger annahm. Interessant ist ihre Bemerkung, dass die Bauherren im Mittelalter die ganze nördliche und östliche Front des oberen Hofes zubauten, während die Südfront frei gelassen wurde. Zudem nahm Menclová auch schon für die erste Bauphase des 13. Jahrhunderts die Existenz des unteren Burghofes an. In das Mittelalter ordnete sie auch die Bebauung der nordöstlichen Burgecke am Turm ein. Die faktische Ausgliederung des Turmes aus den Schutzmauern der Burg erklärte sie mit dem nachfolgenden massiven  Bau der Außenfestung. Den Bau des Ostflügels datierte sie in die Zeit um 1540; alle Renaissanceelemente wies sie ausschließlich Mehl von Strehlitz zu.

            Menclová beobachtete auch, dass die heutige, im Jahr 1569 erbaute Kapelle zum Teil in das abgemeißelte Mauerwerk des großen Turmes versenkt ist. Sie meinte dazu, dass eine solche Erscheinung im Mittelalter nicht denkbar wäre, sie stellte allerdings die alte mittelalterliche Kapelle in den Raum der Burg hin. Sie begründete es mit dem Grabstein eines Herrn von Dohna, der in die Turmtreppe eingebaut wurde. Mehl von Strehlitz schrieb sie auch den Bau des nördlichen viereckigen Turmes am Nordflügel zu. Sie hob die Existenz des Ganges unterhalb des Turmes als eine Erinnerung an den ehemaligen Zwinger hervor, dessen Lage Mehl immer respektierte.

            Die halbrunden Basteien des unteren Burghofes und die anschließende Burgmauer datierte sie in die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert, parallel zur ähnlich gestalteten Befestigung der Burgen Schwihau/Švihov und Rabí. Dobroslava Menclová nahm an, dass die Jahreszahl 1569, welche über dem Portal am Haupteingang sowie an einigen Stellen in der Kapelle zu sehen ist, den abschließenden Zeitpunkt einer Bauphase bezeichnet. Sie war allerdings davon überzeugt, dass Mehl seinen komplexen Umbau der Burg wegen des Verkaufes nicht beendete.

            Am Ende der  70er Jahre wurde die nächste bauhistorische Untersuchung des Objektes durchgeführt. Der Auftrag ging direkt an die Firma KSSPPOP. Die Autorengruppe Líbal, Lancinger, Baštová erarbeitete unter erschwerten Bedingungen die Untersuchung der oberen Burg, die damals von der Armee kaum genutzt wurde. Neben der eindeutigen historisch-dokumentierenden Bedeutung des aktuellen Zustandes der Burg, stellt ihre bauhistorische Untersuchung den ersten Versuch zur Beschreibung aller Haupträumlichkeiten dar. Der Umriss der baulichen Entwicklung bildet ein gesondertes Unterkapitel der gesamten Arbeit und war weiterhin relativ frei aufgefasst, weil die ganze Untersuchung auf zerstörungsfreier Basis durchgeführt wurde. Die Bedeutung der bauhistorischen Untersuchung wurde zudem durch eine spezielle Archivrecherche begleitet und hervorgehoben, die einige damals nicht öffentliche Archivbestände umfasste. Die bauhistorische Untersuchung aus dem Jahr 1979 ist bis heute die letzte komplexe Untersuchung der Burg Grafenstein, die veröffentlicht wurde. 

Im Rahmen der baulichen Entwicklung hielt auch Dobroslav Líbal den Raum des heutigen oberen Burghofes als eine Burg mit Bergfried und einer besonderen, in einer Kante auslaufenden Mauer für die Kernburg. Er wies auf den zweiräumigen Palas im nordwestlichen Teil des oberen Hofes als auf das älteste Herrschaftsgebäude mit der Bemerkung hin, dass dieser Annahme die Existenz eines alten Kellers mit Tonnengewölbe etwas entgegensteht, da dieser wahrscheinlich der gleichen Zeitstellung wie der Palas entstammt, dessen Grundriss sich allerdings in südlicher Richtung erstreckt.. Líbal vermutete in einer schnellen Folge noch eine weitere Bauphase aus, die er ebenfalls in die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts datierte. In dieser Phase wurde der Palas um einen Trakt Richtung Westen verlängert. Parallel entstand auch der Keller in der nordwestlichen Ecke des heutigen unteren Hofes, welcher laut der Autorengruppe am ehesten von Außen erschlossen wurde. Die Autoren gingen von weiteren baulichen Entwicklungen in der Kernburg im Mittelalter aus, konnten aber keine detaillierte Zeitangaben für Umbauten und Anbauten machen. Es ging ihnen vor allem um die Nordfront des oberen Hofes, also um die Hofwand des Nordflügels, desser mittelalterlicher Ursprung manchmal in Frage gestellt wurde. In der Zeit der Spätgotik kam es auch zur Bebauung der Lücke zwischen der Mauer und dem Bergfried.

Spätestens im 14. Jahrhundert entstanden – laut Meinung der Gruppe von Líbal – die Mauer und Gebäude auf dem heutigen unteren Hof. Wegen zahlreicher späterer Umgestaltungen und Unklarheiten insgesamt erlaubten sich die Autoren nicht, ein genaueres Urteil vorzunehmen. In Hinblick auf den unorganischen Anschluss des Ostflügels an die damalige Mauer mit zwei Halbkreisbasteien schlugen die Autoren vor, dass das Hof ursprünglich auf eine andere Art abgegrenzt war. Weiterhin betonten sie die komplizierte Situation durch den Abbau des westlichen Teiles der Burg an der Stelle des heutigen Burggartens sowie dadurch, dass die Geländerelikte und Fragmente der Außenmauer in der Nähe des heutigen Objektes nicht Gegenstand der bauhistorischen Untersuchung waren, da sie im Jahr 1979 nicht vermessen werden konnten.

Der Ostflügel, in welchem zwei Geschosse erhalten blieben, hatte laut dieser Autoren einen spätgotischen Ursprung. Für mittelalterlich hielten sie mindestens im Grundkern den heutigen Durchgang. Das Mauerwerk im 1. und 2. Stockwerk des Ostflügels datierte die Gruppe in das 1. Drittel des 16. Jahrhunderts, in die spätere Dohna-Zeit von Nikolaus II. Das zweite Stockwerk hatte ihrer Meinung nach schon zum Zeitpunkt seiner Entstehung nur eine Balkendecke, während das erste Stockwerk bzw. Erdgeschoss gewölbt war.

Líbal beobachtete, dass der Südflügel der Burg zur spätgotischen Mauer hin mit Halbkreisbasteien zugebaut wurde. Dank des Fundes von Sgraffito auf der alten südlichen Mauer der oberen Burg an der Stelle des Anbaues des Westflügels wies Líbal nach, dass der Westflügel als Letztes zugebaut wurde und den unteren Hof in zwei Teile trennte.

Die Außenmauer war im Jahr 1979 sowie heute eine unerforschte Sache, welche nur dank der von Líbals Gruppe publizierten Zeichnung des Kaiser-Oberst Francesco Pieroni da Galiano aus dem Jahr 1655 bekannt ist.

Wenn es um den künstlerisch und architektonisch wichtigsten Teil der Burg – die St. Barbara-Kapelle – geht, bemerkte Líbal die Tatsache, dass die mittelalterliche Vorgängerin in einer mittelalterlichen Quelle als „sub castro“ (unterhalb der Burg) bezeichnet wird; sie musste also nicht unbedingt im Burgareal stehen. Die Lage der Kapelle außerhalb der Burg wird auch in einer älteren Notiz von 1387 (Líbal nennt 1393) angeführt.

Die bauhistorische Untersuchung aus dem Jahr 1979 stellte den ersten Versuch dar, eine erste zusammenfassende Aufschlüsselung der Baugeschichte von Grafenstein zu erhalten. Dies erfolgte unter den limitierenden Bedingungen und nach den Regeln einer zerstörungsfreien Methode sowie unter den schwierigen Verhältnissen im Militärgelände. Im Rahmen der Untersuchung konnte eine große Menge des schriftlichen Archivmaterials und die meisten bis heute bekannten ikonografischen Quellen sowie eine große Zahl von historischen Planungsdokumentationen zusammengetragen werden.

Die Zeit nach 1990 ist verbunden mit der zwanzig Jahre dauernden Wiederherstellung von Grafenstein, des ganzen Gebäudes des oberen Schlosses (Burg), die einige grundlegende positive und negative Folgen für die weiteren Erkenntnisse zur Struktur und Entwicklung des ganzen Bauorganismus hatte. Zu den eindeutig positiven Ereignissen gehört die Reihe von archäologischen und weiteren Untersuchungen, die für eine verantwortungsvolle Restaurierung notwendig sind sowie eine Publikationstätigkeit, die intensiver ist als bei Denkmälern, die nicht „in Bewegung“ sind. Die Restaurierung der Burg brachte am Ende der zweiten Dekade auch eine umfangreiche archäologische Untersuchung mit sich, welche insbesondere im Gelände des unteren Hofes des oberen Schlosses (Burg) von den Archäologen des Nationalen Denkmalinstitutes Liberec durchgeführt wurde. Mit der Untersuchung entstand ein Fundbericht, der vom Team der Archäologen unter der Leitung von Martin Nechvíle erarbeitet und von Renata Tišerová vervollständigt wurde. Das schriftliche Ergebnis steht allerdings aktuell nicht zur Verfügung. Die Untersuchung selbst, welche in 15 Sonden geteilt wurde, erbrachte eine ganze Reihe von Funden, von Keramik bis zu Artefakten. Die Untersuchung kann aber ohne tiefere Analyse vom Bauhistoriker nicht für einen automatischen Beitrag zur Erkenntnis der Baugeschichte, sondern nur für einen weiteren Baustein einer analytischen, bis heute nicht durchgeführten Forschung gelten. Eine große, wenn nicht direkt grundlegende Bedeutung der Untersuchung besteht darin, dass sie nicht nur auf das heutige Burgareal beschränkt war, sondern dass sie auch Erkenntnisse über die vorgelagerte Festung sowie zur Bestätigung der aus der Pieroni-Planung bekannten Informationen beitrug.

Einen ähnlichen „Baustein“ für eine geplante neue bauhistorische Untersuchung, welche insbesondere die Erkenntnisse aus der 20jährigen Wiederherstellungsphase nutzen wird, stellt auch die neue Archivrecherche von Eliška Nová dar, die im Jahr 2009, kurz vor dem Abschluss der Wiederherstellung vorgelegt wurde. Der Bedarf an neuer Archivrecherche entstand im Zusammenhang mit der Erschließung neuer Archivbestände. Während das Familienarchiv von Clam-Gallas“ im Staatlichen Archiv Litoměřice – Außenstelle Děčín, im Jahr 1979 zwar nicht geordnet, aber für die Bearbeitergruppe zugänglich war, blieb der Bestand des „Großgrundbesitzes Grafenstein“ für Líbal und seine Kollegen unzugänglich. Den Aufbau und die Erschließung dieses Bestandes für die Forschung reflektierte erst die Recherche von Eliška Nová, welcher man höchstens die fehlende Berücksichtigung von ausländischen Quellen und Editionen und damit verbundene fehlerhafte Angaben wie jene des Jahres 1393 bei der ältesten Erwähnung der Burgkapelle vorhalten kann. Für sehr wichtig wird die Breite der Recherche gehalten, welche nicht nur das obere Schloss (Burg), das untere Schloss mit dem Komplex der Vorburg-Gebäude mit dem neuem Schloss von 1818, sondern auch das gesamte ausgedehnte Areal mit dem Großgrundbesitz auf der anderen Seite der Straße Liberec – Zittau oder das Gebäude der ehemaligen Schule in der Gemeinde Grafenstein betrifft. Einen bedeutenden Beitrag der Recherche stellt auch die Ergänzung der bis heute bekannten Datenbank von ikonografischen Quellen und die Nutzung der reichen und nicht publizierten Fotodokumentation dar.  Von den heute bekannten ikonografischen Quellen entging der Autorin nur die bis vor kurzem unbekannte Ansicht mit Blick auf das Schloss von Wenzel Führich, welche dank Initiative von Květa Křížová für das Nationale Denkmalamt bei einer Auktion gekauft wurde.

Diese Unterlagen sollten zur Erarbeitung einer neuen bauhistorischen Untersuchung genutzt werden, die den Fortschritt im Fachbereich, insbesondere die im Rahmen der Rekonstruktion gewonnenen neuen Entdeckungen vor Ort vollständig reflektiert. Mit der Erarbeitung einer solchen neuen bauhistorischen Untersuchung wurde aber noch nicht begonnen.

 
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